Department Mathematik
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Forschungsgruppe TQA


Mathematische Modellierung

Modell


Ein Modell ist zunächst einmal ein Abbild eines Ausschnitts der beobachtbaren Welt. So ein Ausschnitt muss nicht viel mit Realität zu tun haben, auch ein Teil einer virtuellen Welt gehört dazu oder einer Vorstellung von einem noch zu schaffendem Werk. Ein solcher Ausschnitt wird auch mit dem Begriff Gebilde oder System belegt; letzteres besonders im Falle, dass er bereits strukturierende Bestandteile aufweist.
  • Beispiel Landkarte: Abbild einer Region mit verschiedener Detailtiefe.
  • Beispiel Straßennetz: Etwa das auf der Landkarte ausgewiesene Netz in Form eines Graphen.
  • Beispiel Quantenmechanik: Entwickelt in den Jahren 1905 - 1925.
  • Beispiel Neuronale Netze: Vereinfachte Darstellung der Vorgänge im Gehirn. Beobachtung und Experimente habe zu der Beschreibung von Hirnfunktionen durch neuronale Netze geführt. Ein neuronales Netz oder mehrere liefern daher ein Modell dieser Funktionen. In einem weiteren Schritt wurde das Modell eines künstlichen neuronale Netzes entwickelt. Dies ist ein mathematisches Modell, welches die neuronalen Netze modelliert und welches zugleich die Grundlage für Berechnungen (Künstliche Intelligenz) darstellt.
Ein Modell hat in der Regel eine oder mehrere Zielsetzungen. Das Modell dient beispielsweise dem Verstehen, Bewerten, Kritisieren, Prüfen oder Analysieren des Ausschnitts bzw. des Systems. Es dient weiterhin der Kommunikation über den Ausschnitt, den es modelliert, oder der Vertiefung der Kenntnisse darüber. Es ermöglicht zudem, Hypothesen aufzustellen, Theorien zu bilden, ein neues Gebilde oder System zu erschaffen, Simulationen und Experimente durchzuführen, sowie Spezifikation von Anforderungen zu erstellen.
  • Beispiel Verkehrsflussmodell: Prüfen, Analysieren etc., auch wichtig für die Kommunikation, Simulation und für die Planung von Verbesserungen.
  • Beispiel Architekturplan: Entwerfen, Gestalten, Planen von neuen Gebäuden.

Struktur und Darstellung von Modellen


Ein Modell setzt sich in der Regel aus Objekten und Attributen zusammen. Attribute sind Eigenschaften von Objekten und von Attributen, oder es handelt sich bei Attributen um Relationen zwischen Objekten und/oder Attributen, oder es sind Operationen auf Objekten und Attributen.
  • Beispiel TSP (Travelling Salesman Problem): Objekte - endlich viele Städte. Attribute: - Verbindung von je zwei Städten. Diesen Verbindungen sind durch einen Operator Distanzen zugeordnet. Das ist bereits das ganze Modell. Abgeleitete Objekte sind Routen von einer Stadt zu einer anderen über die vorhandenen Verbindungen. Eine Route hat daher mit der Summe der betroffenen Distanzen auch immer eine Länge. Eine Route, die in einer Stadt beginnt und auch dort endet, und die jede andere Stadt genau einmal trifft, nennen wir einen Kreis. Das TSP als kombinatorisches Optimierungsproblem stellt nun sie Frage: Welcher der Kreise ist ein Kreis mit minimaler Länge und wie l&aum;sst er sich bestimmen?
Dargestellt wird ein Modell — jedenfalls ein Modell in der Mathematik, Physik oder Informatik — mit Hilfe eines Zeichenvorrates, der unter Beachtung einer Syntax verwendet wird und dessen Zeichenketten oder Zeichenansammlungen mit einer Semantik interpretiert werden können. Im Falle einer weitgehenden Formalisierung bildet das System dieser Elemente — Zeichenvorrat, Syntax, Semantik — eine ‚Sprache’. In der Informatik gibt es standardisierte Sprachen zur Modellbeschreibung, wie zu, Beispiel Petrinetze oder die Universal Modeling Language (UML). Bei mathematschen Modellen wird ein Zeichenvorrat aus der Mathematik verwendet.
  • Beim TSP:
    • Zeichen - natürliche Zahlen für die n Städte, reelle Zahlen für die Distanzen (außerdem Klammern, Kommata, Summenzeichen, etc.).
    • Syntax - Folgen (i1, i2, ..., ik) für die Routen mit k Städten; endliche Summen von Distanzen.
    • Semantik - in der vorangegangenen Beschreibung bereits eingebunden.
  • Bei einem mathematischen Modell ist der Zeichenvorrat eine Teilmenge des in der Mathematik verwendeten Zeichenvorrats und die Syntax ist durch die Mathematik vorgegeben.
In der Informatik dienen die Modelle als Hilfsmittel oder Ausgangspunkt für die Planung und Entwicklung von Programmen und Programmsystemen. Beispielsweise werden bestimmte Anwendungsbereiche (Domänen) modelliert, oder Prozesse allgemeiner Art, oder auch die Architektur eines IT-Systems.

Mathematische Modelle und Modellierung


In der Kombinatorischen Optimierung wird als Grundlage für die Entwicklung von Optimierungsalgorithmen ein mathematisches Modell benötigt.
  • Beispiel Scheduling: Die Forderung nach einem besten Plan ist im Allgemeinen nicht ausreichend. Ist der kostengünstigste Plan der Beste, und wie errechnen sich die Kosten? Oder ist der schnellste Plan der Beste? Wie steht es mit dem Verfehlen von Lieferterminen? Termintreue? Das mathematische Modell erlaubt es, eine geeignete Zielfunktion präzise zu definieren.
Ein mathematisches Modell ist ein Modell, das vollständig in einem mathematischen Formalismus — also in der Sprache Mathematik — dargestellt ist. Von daher sind in der Regel die oben angesprochenen Objekte und Attribute im Rahmen der Mengenlehre beschrieben, und es können verschiedene mathematische Teilgebiete in das Modell eingebaut werden oder auf das Modell angewandt werden. Problemlösungen im Rahmen eines mathematischen Modells haben dann oft den Charakter einer Lösung einer Gleichung.
  • Das Beispiel Landkarte ist kein mathematisches Modell, allerdings ist das Beispiel eines Straßennetzes in Form eines Graphen ein mathematisches Modell (siehe oben).
  • Das TSP haben wir oben als mathematisches Modell formuliert.
  • Die Quantenmechanik als physikalische Theorie, wie sie in den Jahren kurz vor 1925 entwickelt worden ist, ist noch kein mathematisches Modell der Theorie. Erst durch das mathematisches Modell der Quantenzustände als die Geraden in einem Hilbertraum und die Beschreibung der Dynamik durch die Schrödingergleichung ist ein mathematisches Modell der Quantenmechanik gegeben.
  • Bis heute gibt es zu der überaus erfolgreichen Theorie der Quantenelektrodynamik wie auch zur Quantenfeldtheorie keine mathematischen Modelle.
Für die Entwicklung von Algorithmen und deren Programmierung ist es in der Regel erforderlich ein mathematisches Modell der Problemstellung zu haben. Das macht die mathematische Modellierung so bedeutend. Umgekehrt liegt einem Algorithmus in der Regel ein mathematisches Modell zugrunde, auch wenn dieses Modell nicht explizit ausformuliert ist. In gewisser Weise kann man sagen, dass ein mathematisch formulierter Algorithmus selbst ein mathematisches Modell ist.

Modellbildung, also die Erstellung eines Modells zu einem Ausschnitt der beobachtbaren Welt, ist ein kreativer Akt, der oft sehr gute Ideen und eine hohe Abstraktionsfähigkeit benötigt. In der Regel wird die Modellierung in mehreren Anläufen iterativ zusammengestellt. Die Erstellung eines mathematischen Modells bedeutet meist eine große Abstrahierung und erfordert einen guten Einblick in die für den zu modellierenden Ausschnitt relevanten mathematischen Gebiete.

  • Beispiel zur Abstrahierung: Der freie Fall wird erst einmal ohne Reibung (oder Wind oder Luftfeuchtigkeit) formuliert. Man erhält eine vergleichsweise einfache Formulierung des Fallgesetzes. Die Einbeziehung der Reibung führt zu neuen Modellen, die aber auf dem reibungsfreien Falle aufbauen.
Das soll aber nicht heißen, dass die mathematische Modellierung eine Angelegenheit der Mathematiker ist. Ganz und gar nicht! Gelegentlich mag es vorkommen, dass es einem Mathematiker allein gelingt, zu einem bereits gut vorbereiteten System ein mathematisches Modell zu entwickeln. In der Regel aber wird das Wissen und die Sicht eines Fachmanns benötigt, der das System versteht und das Umfeld — die Theorie —, in das das System eingebettet ist. Insofern ist die mathematische Modellierung eine interdisziplinäre Aufgabe.

  • Wieder ein Beispiel aus der Physik: Einstein hatte klare Vorstellungen, wie eine Theorie der Gravitation zu sein hat und hat das in den Jahren 1905 bis 1915 fortlaufend präzisiert. Allerdings hat ihm die Kompetenz gefehlt, die Theorie in eine mathematische Form zu bringen, also ein mathematisches Modell zu finden. Geholfen hat ihm bei der mathematischen Durchdringung und Analyse seiner Ideen sein Freund, der Mathematiker M. Großmann. Im Jahre 1915 konnte er so als Resultat die (heute so genannten) Einsteinschen Feldgleichungen veröffentlichen. Zeitgleich hat der Mathematiker David Hilbert die Einsteinschen Feldgleichungen im Jahre 1915 publiziert, nachdem er sich vorher von Einstein die Grundzüge seiner Theorie hat erklären lassen.
Es gibt keine Systematik zum Erstellen von mathematischen Modellen. Es sind ja auch die Ausgangsysteme sehr verschieden, und sie sind unterschiedlich stark strukturiert. Natürlich kann der Ausschnitt der beobachtbaren Welt selber ein mathematisches Modell sein. Ein wesentlicher Teil der Arbeit der mathematischen Modellierung besteht darin, Wichtiges und Unwichtiges voneinander zu trennen oder komplexere Strukturen zu vereinfachen, gelegentlich auch, neue Strukturen zu entdecken.

Erst auf der Basis eines guten mathematischen Modells kann man das zu untersuchende Optimierungsproblem in passender Form beschreiben, in der Regel als das Auffinden des Maximums oder des Minimums einer Nutzenfunktion bzw. Zielfunktion. In der Kombinatorischen Optimierung setzt man zudem voraus, dass das Modell diskret oder sogar endlich ist. Dennoch ist es nicht einfach, einen effizienten Algorithmus zu finden, wie das Beispiel des Handlungsreisenden (TSP), das Cutting Stock Problem oder das Scheduling Problem zeigen.