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Die Wahrheit

Es geht ihm darum, daß Erklärung der Phänomene nicht bei den Phänomenen selbst ansetzen soll, nicht bei der Beobachtung der Dinge--etwa primitiv, daß der Mond entsteht und vergeht, jeden Monat aufs neue, daß Dinge sich wandeln in ihrer Stofflichkeit und ähnliches. Diese Erklärungen sind menschliche Setzungen, und damit sterblich, unwahr, ohne Bestand--keine Erkenntnis.

Hier müssen wir aufpassen, denn es geht ihm natürlich um die Erklärungen der Naturphilosophen, die ihm erreichbar waren, also die Erklärungen seiner Zeit . Wir haben heute bereits die Newtonsche Naturbeschreibung im Kopf oder Elektromagnetismus; das ist alles bereits parmenidisches Ideal, und darum müssen wir an eine Naturbeschreibung denken, die sehr an dem Beobachteten klebt, diese zu ordnen versucht, ab und zu vielleicht auch noch die Einmischung von Göttern bemüht, wenn alle Erklärungsversuche fehlschlagen. Wir sollten also eher an die Bohr-Heisenbergsche Quantenphilosophie denken, die ganz engstirnig die Beobachtung als das Primäre ansieht. Parmenides hält die ``Heilige Schau'', die Theorie dagegen, also das rein gedankliche Erfassen der Natur. Er setzt ganz einfach einen offenbaren Begriff--das Sein--an, davon ist auszugehen, und was er zunächst über das Sein zu sagen hat, ist ganz einfach nur dies: Das Sein Ist, und genau so wichtig: Das Nichtsein Ist nicht!. Damit ist schon einmal ganz klar: Mit dem Nichtsein kann man nichts erklären! Wichtig: Hier ist kein Materialist zugange und kein Idealist, sondern ein Denker, ein Analytiker, der harte Analysis allein mit der Begrifflichkeit des Seins betreibt, worüber er genau das sagt, was jedes Kind sagen würde: Das Sein Ist, kann nicht entstehen, nicht vergehen, hat keine Grenzen, ist nicht mal mehr und mal weniger, es IST, und das ist so. In unserer heutigen Wissenschaft würde man das Axiomatik nennen, er setzt ein Axiom an, eine offenbare Wahrheit, daraus folgt alles weitere durch Deduktion. Ihm ist das wichtig, denn damit hat er einen Beweis in der Hand, der die bisherigen Erklärungen der Phänonmene als menschliche Setzungen entlarvt, denn die setzen nicht beim Sein an, sondern enthalten die Begrifflichkeit des Vergehens und Beginnens, kommen also dem Sein nicht nahe. Die lange Beschreibung des Seins im Lehrgedicht ist also ``nur'' eine Argumentationsbasis, um deutlich zu machen, daß die Erklärung einer Erscheinung, die bei der Beobachtung selbst ansetzt keine ist, sondern eine (vergängliche) menschliche Scheinwahrheit. Die wahre Erklärung hat beim Sein anzusetzen. Das ist der zweite Teil des Lehrgedichtes des Parmenides. Nun kommt der dritte Teil, über das was scheinbar ist, und was zu erklären ist, worüber also Einsicht zu bekommen ist. So wird das üblicherweise gesagt. Aber das ist zu grob. Viel zu grob, denn dazwischen steht der wichtige Teil des Lehrgedichtes, und der ist, der Parmenides zurecht berühmt gemacht hat. Denn was wäre das bisherige? Eine Kritik der Erklärung der Phänomene, wie es zu seiner Zeit geschah ist rechtens und gut aber nichts, was diese Berühmtheit rechtfertigt, die Parmenides erlangte.


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D. Duerr
Sat Jan 1 14:50:27 MET 2000