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Das Sein, was ist das?

Der Teil, der alles neu macht, der die heilige Schau, die physikalische Theorie, wie wir heute sagen, neu definiert, oder vielleicht sogar erstmals definiert, ist ein Satz:

Denn dasselbe ist: Zu denken und woraufhin das so denkend Erfasste IST.

Also, grob gesprochen: Das Sein IST, dadurch dass es gedacht wird. Ist das Unsinn? Es hört sich wie Unsinn an, Es hört sich wie Unsinn an, und es hört sich so an, als wäre das SEIN ohne gedacht zu werden nicht möglich. Das ist Unsinn, und kann so nicht gemeint sein. Wäre ich nicht Physiker, würde ich es nicht verstehen. Warum seine Zeitgenossen wie Heraklit oder Sokrates und dann auch Platon verstanden haben ist absolut bemerkenswert. Die Leute haben sich verstanden, vielleicht weil sie mitgedacht haben.

Also was Parmenides im Kopf hat ist die Physik unserer Zeit, ich meine die eines Galilei, Newton, Faraday, Maxwell, Einstein-- deren Theorien. Die heilige Schau ist, denkend die Welt zu durchdringen, der Sache auf den Grund zu gehen, und der Grund ist das rein Gedankliche, das fundamental Gedachte: das definiert für UNS das Sein.. Der Mensch kann nur denkend schauen, ehrfürchtig der Natur gegenübertreten, und indem er ausspricht, was er denkt, bekommt das uns erfassbare Sein einen Namen, und es IST, es ist das IST für uns.

Das bedeuted: Es gibt kein Sein, keine Welt, mit der wir unsere Ideen, unsere Gedanken vergleichen könnten. Es gibt nur unsere Gedanken, und so wie wir denken, so ist das Sein. Das wahre Sein, das den Anstoss für unsere Gedanken bildet, das Sein, das Parmenides anfangs so ausführlich beschreibt, so unerreichbar es ist, ist wesentlich als Ursache der heiligen Schau.

Ich versuche das deutlicher zu sagen. Folgende Aussagen gehen mir immer auf die Nerven, weil sie ignorant sind: ``Physik ist ein Modell der Realität``. ``Physik ist einfacher als Mathematik, weil man die Richtigkeit der Physik mit der Realität vergleichen kann. Mathematik dagegen steht alleine da, und muss innerlich richtig sein``. Was daran so schlimm ist? Was ist Realität?

Also nach Parmenides: `` Physik ist (unsere) Realität.`` Denn das Gedachte und das Sein ist dasselbe. Grob gesagt: Die Elemente der physikalischen Theorie definieren Realität.

Beispiel: Die Newtonsche Massenanziehung ist eine Kraft, die Graviationskraft. Sie ist gedacht, sie ist Teil der heiligen Schau--der Theorie--also sie IST. Womit sollte man dieses IST der Kraft vergleichen? Mit einem anderen IST? Mit welchem? Hier denkt man nun an Experimente, an Vorraussagen der Theorie, die dann überprüft werden: Man prüft nach, ob das Modell der Kraft richtig ist. Nein, das tut man wahrlich nicht. Man muss das einmal durchdrungen haben, dass diese Reduktion des Experimentes auf das Überprüfen der heiligen Schau, der Theorie, ein Unding ist. Newton hat das Kraftgesetz gedanklich gefunden und nicht etwa durch Experimente.( Im Anhang behandle ich kurz das Galileische Fallgesetz, das immer als Ausfluss des Experimentes gesehen wird, was falsch ist.)

Es ist wahr, dass Einstein sich über die Lichtablenkung durch Massen sehr gefreut hat, es war Teil seiner Theorie, und er wurde berühmt, als das Experiment ihn bestätigte, aber was heißt hier Bestätigung oder Ablehnung? Dass das Licht die kürzeste Bahn in der gekrümmten Raumzeit nimmt, stand das zur Debatte? Wie kann das überhaupt geprüft werden? Wenn wir über Licht reden, was meinen wir dann? Man kann das Experiment ja nur innerhalb dieser Theorie überhaupt analysieren, denn es gibt ja nur diese Realität und keine andere. Und da gehen Annahmen ein, über die Werte der realen Größen, und man muss glauben, dass diese Werte mehr oder weniger richtig sind, und dann kann man das Experiment analysieren, innerhalb dieser Theorie und mit diesen Annahmen, und dann kann etwas herauskommen was nicht stimmig ist, und dann muss man nachdenken. Man kann sich verdacht haben, das ist erlaubt, das würde auch Parmenides einem zugestehen, und in der heutigen Zeit der Theorienbildung, die mehr ein ``Anpassen der Theorien auf Datenmengen'' darstellt, da verdenken sich unzählige Leute und da denkt man dann, die heilige Schau der Griechen hat ausgedient. Das kann natürlich sein, alles kann sein, aber ich glaube das nicht.

Beispiel: Elektromagnetismus, das Beispiel schlechthin, denn hier wird die göttliche Eingebung des Parmenides Wirklichkeit. Aus den vier Grundgleichungen, den Maxwellschen Gleichungen, kommen alle Phänomene: Radio, Fernsehen, Dynamo , Blitz und zusammen mit der Newtonschen Mechanik der Gase auch der Donner. Diese Grundgleichungen reden über das elektrische Feld und das magnetische Feld. Die also SIND. Sie definieren das Sein. Und wenn einmal ein Denker kommt, und die Sachen anders sieht, einfacher, klarer, schöner, und ohne Felder, dann hat Maxwell geirrt, das sollte erlaubt sein, aber nichts ändert sich an dieser Erkenntnis des Parmenides, dass Sein ist, und dass Sein und das Gedachte dasselbe sind.


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D. Duerr
Sat Jan 1 14:50:27 MET 2000