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Das Grundproblem

Das Lehrgedicht des Parmenides besteht aus 3 Teilen. Der erste interessiert mich weniger, und ich sage gleich warum. Dieser endet bei dem Empfang der Göttin. Dann kommt die Verkündung der Wahrheit und danach die Versicherung, daß die Scheinwahrheiten entlarvt und irgendwann wahrlich verstanden werden. Das ist alles bekannt und in guten Quellen wie etwa Schadewaldt [1] sehr gut aufgeschlüsselt. Schadewaldt enthält noch mehr, und es geht mir darum, dieses mehr zu elaborieren, denn in Wahrheit hat das Lehrgedicht 4 Teile: zwischen dem zweiten und dritten, nach der normalen Einteilung, gibt es einen kurzen Teil, der enthält aber die Einsicht, die Parmenides mitteilen wollte, zumindest ist es die Einsicht, die ihn berühmt gemacht haben muss. Darum geht es mir.

Hier ist die Grundfrage: Was zählt als Erklärung eines Phänomens, einer Erscheinung? Das Erscheinen und das Vergehen des Mondes, das Fallen eines geworfenen Steines, die Gezeiten des Meeres. Die Anziehung von Eisen durch ein anderes.

Parmenides formuliert alles auf einmal: Erklärung, das Sein, die Phänomene, das Wesen des Verständnisses. Und weil gleich alles gesagt wird, weil ihm alles auf einmal klar geworden ist, ist das Lehrgedicht so schwer zu verstehen. Es ist das plötzliche Erkennen, das Hereinbrechen der Einsicht, wie die Dinge gesagt werden müssen, daß die mitgeteilte Einsicht Bestand hat, daß ihre Wahrheit deutlich ist, so daß sie neues Wissen und neue Beobachtungen von Erscheinungen übersteht. Und der erste Teil des Lehrgedichtes ist nur das: ``Ich habe etwas verstanden, das überwältigt mich! Es ist schwer, was ich zu sagen habe, darum hört genau hin und denkt mit.''Anders als Heraklit, der schon deutlicher den Leuten sagt, daß sie zuhören sollen: ``Ihr versteht ja sowieso nicht, was ich zu sagen habe'' (nach meiner freien Übersetzung) benutzt Parmenides die Bildsprache der Erzähler (ich denke an Homer) seiner Zeit, das Bild des dahinbrausenden Wagens, die dahinjagenden Gedanken als Rosse den Wagen ziehend, den Denker mit sich führend, für den sich die Nebel lüften. Dieser erste Teil des Gedichtes ist mir nicht so wichtig, denn ich weiß, daß Parmenides etwas zu sagen hatte, und ich weiß, daß ich mir Gedanken machen muß über das, was nach seiner langen Einleitung kommt.


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D. Duerr
Sat Jan 1 14:50:27 MET 2000